Hochzeit in Iringa 04. – 06. Oktober 2013

Prozession vors Kirchenportal
Prozession vors Kirchenportal

Vor nun einem Monat schon (Schreibezeitpunkt) hatte ich das bisher „tansanisch“ erlebnisreichste Wochenende. Bruder Eberhard, Professor hier an der Jordan University, fragte Jenny und mich, ob wir ihn denn auf die Hochzeit seines Neffen begleiten wollen. Er selbst übernehme die Trauung. Natürlich zögerten wir nicht lange und sagten begeistert zu! Auch für Andi (Freiwilliger in Mukuranga bei Dar es Salaam und guter Freund von uns) war noch ein Platz im Auto frei. Die Fahrt nach Iringa war verglichen zu unserer sonst üblichen Reisemethode – dem Linienbus mit engen Sitzreihen, dröhnenden Filmen und lauter Musik (dazu in einem kommenden Eintrag mehr) – ausgesprochen luxuriös. Eberhard besitzt einen geräumigen, durch eine Klimaanlage gekühlten Toyota SUV. Die ca. 5- stündige Fahrt ins 300 km entfernte Iringa verging wie im Flug. Eberhard erzählte uns auf gutem Deutsch viel über die Geschichte der Gegend und, dass er schon länger immer wieder einmal im Jahr für einen Monat in Deutschland als Priester-Urlaubsvertretung eingesetzt sei. Auch erfuhren wir, dass die Hochzeit nicht direkt in „Iringa-Town“ stattfinden würde, sondern in einem kleinen ländlichen Vorort. Auch gab es auf der Strecke sehr viel zu sehen. Unter anderem führte die Straße mitten durch den „Mikumi National Park“. Direkt am Straßenrand sahen wir Giraffen, Antilopen, Zebras, Affen und Elefanten! Bruder Eberhard erzählte uns, dass jährlich leider sehr viele Tiere genau dieser Straße bzw. den Fahrzeugen zum Opfer fallen.

 

Derartige Straßenüberquerungen sind für alle Tiere im Mikumi Park unglaublich gefährlich
Derartige Straßenüberquerungen sind für alle Tiere im Mikumi Park unglaublich gefährlich

Gegen 17 Uhr kamen wir schließlich in dem kleinen Vorort von Iringa an. Die etwas abseits gelegene Kirche war eines der wenigen gemauerten Gebäuden und definitiv das Größte! Der Großteil der Häuser bestand aus einstöckigen Lehmhütten mit Blech oder Strohdach. Gleich zu Beginn trafen wir das Brautpaar mit dem Eberhard ein abschließend organisatorisches Gespräch führte. Beide wirkten verständlicherweise etwas aufgeregt, aber strahlten überglücklich. J Danach wollte uns Eberhard direkt einen Einblick geben, wie die meisten Menschen in Tansania auf dem Land leben. Wir besuchten die etwa 1km von der Kirche entfernt lebende Familie der Braut. Die Gassen zwischen den Lehmhütten waren derart eng, dass es für Eberhards SUV kaum ein Durchkommen gab. Problematisch ist dies für die Anwohner jedoch nicht, da vielleicht nur sehr, sehr wenige  selbst ein Auto besitzen. Die meisten Fahrzeuge die ich in der Gegend sehen konnte waren Motorräder. Dementsprechend neugierig und erstaunt wurden wir (ein großer Gelände Wagen und DREI Wazungu [Europäer; Weiße] darin!) von allen Seiten beobachtet. Von der Familie wurden wir ausgesprochen freundlich begrüßt und konnten die erlernteBegrüßung „Shikamoo“ [Ich liege dir zu Füßen => man erweist älteren Menschen dadurch Respekt] anwenden. Etwas enttäuscht waren wir jedoch, dass wir nicht in den typischen Lehmhütten übernachteten (für 2 Nächte in unseren Augen ein sehr cooles Erlebnis), sondern im gemauerten Pfarrhaus neben der Kirche. Am Abend gesellten Jenny, Andi und ich uns noch zu den Köchinnen des Pfarrhauses. Wir durften ihnen beiwohnen, wie sie komplett ohne Strom im Schein einer Gaslampe auf kleinen Kohleöfen das Abendessen zubereiteten. Ein toller Tagesabschluss!

 

Kochen auf Kohleöfen im Schein einer Gaslampe
Kochen auf Kohleöfen im Schein einer Gaslampe

Am Samstag, dem Hochzeitstag, sollte die Messe um 8 Uhr beginnen. Beim gemeinsamen Frühstück mit Eberhard und dem örtlichen Pfarrer um kurz vor 8 erfuhren wir, dass das Brautpaar kurzer Hand die Messe auf 9 Uhr verschoben hatte, da „die Dorfbewohner/Gäste so früh nicht kommen würden“. Tatsächlich, um 9 Uhr trudelten die ersten Gäste auf dem Kirchenplatz ein. Die Wartezeit auf das Brautpaar und weitere Teilnehmer wurde angenehm durch Tänze und Lieder, hauptsächlich durch Frauen präsentiert, verkürzt. 

 

Tanzende & Singende Gäste verkürzten die Wartezeit auf die Braut
Tanzende & Singende Gäste verkürzten die Wartezeit auf die Braut

Gegen 9:45 Uhr traf dann die Braut im geschmückten Geländewagen von Eberhard ein. Um 10 Uhr zog das Brautpaar in einer Prozession begleitet von Chor und singenden Gästen vor das Kirchenportal. Dort wurden sie von Bruder  Eberhard und dem örtlichen Priester begrüßt. Die eigentliche Hochzeitsmesse unterschied sich in meinen Augen kaum von einer deutschen.  Der größte Unterschied war nur die andere Sprache, der allgemein viel dominantere Anteil von Gesang, Tanz und Klatschen in der Messe und, dass der Kuss fehlte!

 

Kurz vor dem JA-Wort
Kurz vor dem JA-Wort

Nach der Messe ging es weiter in die Dorfmitte. Dort war eine Halle gemietet worden, worin bei Essen und Getränken das Brautpaar gefeiert wurde. Zu Beginn jedoch hatte wir die Ehre gemeinsam mit dem uns nicht näher bekannten Paar und engen Verwanden/Freunden in einem separaten Haus zusammen Mittag zu essen. Nach dem Mittagessen unternahmen wir Freiwilligen einen kleinen Ausflug, um das Dorf zu erkunden. Fast durchgehend wurden wir von Kindern, die wirklich überall gegenwärtig waren, regelrecht bedrängt von ihnen Bilder zu machen. Anfangs war dies noch ganz toll, jedoch als diese begannen Geld, Soda-Getränke und unsere Eintrittskarten in die Festhalle zu fordern wurde dies sehr schnell eher unangenehm. 

Wir Weißen waren im Grunde neben dem Brautpaar, die Attraktion der Hochzeit. So wurden wir z.B.  in der Kirche plötzlich aufgefordert etwas zu sagen und sobald wir die Festhalle betraten und verließen wurde sofort eine Kamera mit Live-Bild Übertragung auf Leinwände auf uns geschwenkt. Das war uns dann doch eher etwas unangenehm.

Alle Kinder wollen auf das Photo
Alle Kinder wollen auf das Photo

Es war jedoch richtig interessant und schön die Feier mitverfolgen zu können. Unter anderem fanden wir heraus, aus welchem Grund die Braut, zu unserer großen Verwunderung, den ganzen Tag im Vergleich zum Ehemann relativ unglücklich wirkte. Die Braut verlässt nämlich am Tag, an dem sie geheiratet wird, ihre ursprüngliche Familie und geht in die Familie des Ehemanns über. Somit würde sie sich als respektlos ihrer „alten“ Familie gegenüber erweisen, falls sie glücklich am Hochzeitstag (Tag des Verlassens der alten Familie) wirken würde. Sehr markant war auch der Kuchenanschnitt. Bräutigam und Braut fütterten sich dabei gegenseitig mit Kuchen. Zur großen Freude der meisten Beteiligten fand dabei auch ein spontaner erster „öffentlicher“ kurzer Kuss statt. Nach dem Anschnitt überreichten Braut und Bräutigam den jeweiligen Schwiegereltern einen kleinen Kuchen. Die Braut musste dies auf den Knien tun, der Ehemann hingegen durfte stehen. Viel getanzt und gesungen wurde natürlich auch! Die Brautjungfern hatten sich zur Unterhaltung aller eine kleine Tanzchoreographie überlegt. Als Anerkennung für eine tolle Vorführung legten Ihnen viele Gäste währen der Vorführung Geld vor die Füße. Eine gute Möglichkeit sich Taschengeld zu verdienen! Sehr amüsant war auch wie ein Bett und eine Matratze von der Dorfgemeinschaft als Geschenk tanzend und singend über den Köpfen aller hereingetragen wurden.

Das Bett wird "hereingetanzt"
Das Bett wird "hereingetanzt"

Alles in allem war die Hochzeit in Iringa für mich eine unglaublich wertvolle Erfahrung, da meine durch das Stadtleben in Morogoro geprägte Perspektive von Tansania nun auch um das ländliche Leben erweitert wurde. Zudem ist mir klar geworden was für eine wichtige Rolle die Hochzeit im Leben der Menschen hier spielt. Um eine Hochzeit überhaupt finanzieren zu können gibt die ganze Familie (Tanten, Großonkels, Omas, Cousins etc.) Geld.

Ein abschließender Blick in das Dorf
Ein abschließender Blick in das Dorf
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